Golo Maurer – Heimreisen
Golo Maurer – Heimreisen

Golo Maurer – Heimreisen

„Kennst du das Land, wo die Zitronen blühen?“

1786 bricht Johann Wolfgang Goethe aus Karlsbad auf, um, wie sich später herausstellen wird, in Italien zu sich selbst zu finden – und eine Heimat. Jahre danach veröffentlicht er mit der Italienischen Reise einen der bekanntesten und einflussreichsten Reiseberichte überhaupt. In Heimreisen nimmt uns Golo Maurer mit auf die Spuren, die dieses Werk hinterlassen hat.

Dabei ist es vor allem das in der Italienischen Reise Nicht-Gesagte, das von Maurer zu Tage befördert wird und die Lektüre so wertvoll macht. Goethe merkt etwa direkt im ersten Satz seines Reiseberichts an, er habe sich wegschleichen müssen, „weil man mich sonst nicht fortgelassen hätte.“ Nähere Erklärungen dazu fehlen. Das holt Maurer nach und geht dabei sogar noch weiter zurück, um die Relevanz der goetheschen Heimkehrerfahrung aufzuzeigen. So verfolgen wir, wie Goethe, der bürgerliche Goethe, von Herzog Carl August an den Weimarer Hof eingeladen wurde, von den Freunden und Bekannten, mit denen er verkehrte, seiner Arbeit als Geheimer Rat und dem Leben als geadelter Landsmann. In Heimreisen wird detailliert, fast schon biographisch geschildert, weshalb der Aufbruch in die Ferne, nach Italien, ein so langgehegter Traum Goethes war und insbesondere die römischen Aufenthalte ihn für sein Leben prägten. Maurer führt uns außerdem die finanzielle Lage vor Augen und somit die Abhängigkeit der Reise vom Herzog. Dies alles führt zu einem runden und stimmigen Bild, das den Reisebericht des deutschen Nationaldichters komplettiert, Lücken schließt und den Blick für Details schärft.

Im zweiten Teil des Buches geht Golo Maurer, immer wieder zu Goethe zurückkommend, auf andere Italienreisende und ihre Erfahrungen ein. Beginnend mit Goethes Vertrautem Johann Gottfried Herder, der dezidiert die Spuren seines eben erst zurückgehrten Freundes Italien erkundete, anders aber als dieser dort nicht die behaglichen Heimkehrgefühle empfand. Nach Italienerlebnissen, etwa von Ingeborg Bachmann oder Rolf Dieter Brinkmann, schließt das Buch wieder mit Goethe, oder vielmehr seiner Familie. Denn auch sein Sohn August und Enkel Wolfgang wurden nach Süden geschickt. Wenn auch niemand dieselbe tiefe italienische Verbundenheit entwickelte wie Johann Wolfgang Goethe, so sind diese innerfamiliären goetheschen Reisen dennoch mindestens genauso interessant zu verfolgen wie die des Dichterfürsten. 

Fazit: Wer Goethes Italienische Reise gelesen hat oder noch lesen möchte, braucht dieses Buch. Es ist eine Bereicherung und die perfekte Ergänzung alles Nicht-Gesagten. 

von Luisa Bader

Golo Maurer 
Heimreisen – Goethe, Italien und die Suche der Deutschen nach sich selbst
Rowohlt 2021
544 Seiten
28 Euro

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